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Big West Tour 2015

(Letzte Änderung: 9.07.2017 @ 10:04)

5. Tag: 04.07.2015 (Teil 4)

Außer uns ist nur ein einzelner einsamer Tourist hier oben, der aber nur ein paar Minuten bleibt. Dann haben wir die Einsamkeit wieder ganz für uns alleine. Für mich steht längst fest: der Aguerreberry Point gehört, was Aussichtspunkte angeht, zum best of the west.

Wir machen uns auf den Rückweg. Als wir die Eureka Mine erreichen, biegen wir in die kleine Stichtstraße ab und parken den Wagen ein paar Minuten später in der Nähe der Mine. Schnell noch ein paar Sachen packen, vor allem Wasser, dann kann die kleine Besichtigungstour schon losgehen. Ich freue mich auf ein paar schöne Fotomotive.

Irgendetwas stört hier. Ein leises Geräusch, wobei ich zunächst an irgendein Tier denke. Schhhhhhhhh. Was ist das? Muss ganz in der Nähe sein, und ich fordere meine Damen auf mal ganz leise zu sein. Da ist es wieder und langsam beschleicht mich ein ungutes Gefühlt. Aus einem undefinierbaren Schhhhhhhhh wird ein leider nur zu gut definierbares Pfffffffftttttttttt.

Ich inspiziere den linken Hinterreifen, denn aus dessen Richtung kommt das Geräusch, und schon sehe ich das Unglück in Gestalt eines beinahe pennygroßen Lochs im Reifen. Mit dem Finger kann ich die entweichende Luft zurückhalten, aber das ist natürlich keine Dauerlösung. Wir sind hier in der absoluten Pampa abseits der bekannten Wege im Death Valley National Park und es gibt nur eine Devise: nichts wie weg, so lange noch etwas Luft im Reifen ist. Wir müssen zurück zur Hauptstraße, ansonsten haben wir angesichts der hier im Flachland herrschenden Temperaturen, nicht vorhandenen Schattens und keiner Aussicht auf Hilfe ein echtes Problem.

Ich trommele meine Mannschaft zusammen, scheuche sie hektisch ins Auto, setze den Wagen zurück und fahre in halsbrecherischem Tempo die restlichen zwei Meilen gravel zurück zur Emigrant Canyon Road. Der dauernde Blick auf die Reifendruckanzeige ist einfach nur grausam, man kann förmlich dabei zusehen, wie der Druck immer weiter fällt und schon bald viel zu niedrig ist. 38 psi - 35 psi und weiter fallend. Wenigstens haben wir bald wieder Asphalt unter den Rädern, aber mit nur noch gut 20 psi Druck gibt es nur eine Alternative: Vollgas zurück zur Hauptstraße 190, wo wir für den Fall, dass beim Reifenwechseln irgendetwas schief gehen sollte, Hilfe erwarten können.

Noch sind es über zehn Meilen. Der Wagen fängt langsam aber sicher an ein merkwürdiges Fahrverhalten zu entwickeln, was aber kein Wunder ist, denn der linke Hinterreifen ist jetzt schon jeseits von Gut und Böse. Ich jage mit ca. 60 Meilen dahin und passe nur in den Kurven auf, dass mir die Karre nicht ausbricht. Die PSI-Anzeige fällt immer weiter.

Es grenzt an ein Wunder, dass wir mit buchstäblich dem letzten bisschen Reifendruck tatsächlich Highway 190 erreichen. Hier ist gleich eine picnic area, wo wir uns hinretten und den Wagen abstellen. Ich bin fix und fertig von der Fahrt und steige aus um den Reifen zu inspizieren. Wir haben uns mit 7 psi ins Ziel gerettet. Keine zwei Minuten später ist der Reifen komplett platt und wir hätten auf der Felge hoppeln müssen.

Erst mal das ganze Gepäck raus aus dem Kofferraum. Anja leidet unter der Hitze und macht schon einen etwas dehydrierten Eindruck. Der schwarze Asphalt ist heiß und strahlt eine unglaubliche Wärme ab.

Eine belgische Familie in einem großen Van versucht uns beim Reifenwechseln zu helfen, obwohl ich prinzipiell kein Problem damit habe das alleine zu erledigen. Allerdings ist es abartig heiß und insofern ist jede Hilfe willkommen. Leider können wir das Schloss nicht öffnen, von wo aus man den Ersatzreifen runterlassen kann. Kein Schlüssel weit und breit. Weder im Handschuhfach noch sonstwo werden wir fündig. Ansonsten ist alles Werkzeug an Bord um den Reifen auszutauschen. Das darf doch wohl nicht wahr sein.

Zwei junge Männer - einer aus Moldawien, der andere aus Russland - stoppen an der picnic area und bieten ebenfalls ihre Hilfe an. Während sich Anja mit schon leichten Kreislaufproblemen und ersten Anzeichen einer aufziehenden Dehydrierung und die Kinder mit reichlich Wasser in den Schatten verziehen, versuchen wir in der prallen Sonne das blöde Schloss zu öffnen - wieder ohne Erfolg. Das Telefon auf der anderen Straßenseite ist defekt - ich wollte versuchen einen Park-Ranger zu erreichen - und das Handy hat natürlich kein Netz. Es bleibt mir nichts übrig als mit der belgischen Familie nach Stovepipe Wells zu fahren in der Hoffnung dort Hilfe zu finden.

Ich gehe in den General Store und spreche einen dunkelhäutigen Angestellten mit Gardemaß an. Wie sich später herausstellt, ist er der retail manager und wohnt in Stovepipe Wells. Er stellt sich als Artise vor und fragt welche Art von Auto ich fahre. Einen GMC Truck berichte ich, woraufhin er mich beruhigt, da er selbst ein ähnliches Gefährt sein Eigen nennt: "Let me see, what I can do".

Nachdem ich versichern konnte, dass meine Familie mit ausreichend Wasser und Schatten gut versorgt ist, muss ich noch etwa eine halbe Stunde warten, dann fahren Artise und ich zurück und sehen uns gemeinsam das Problem an. Artise ist kurz davor selbst an dem blöden Schloss zu verzweifeln, findet dann jedoch mehr oder weniger durch Zufall heraus, dass sich der Schlüssel zu diesem Schloss in dem kreisrunden Autoschlüssel verbirgt, bei dem man nur auf einen zentralen Knopf drückt, um den Motor zu starten. Man muss bei diesem modernen Teil an den Seiten gleichzeitig drücken und kann dann einen Stift herausziehen. Da soll mal einer drauf kommen.

Nachdem dieses Problem gelöst ist, müssen wir nur noch rauskriegen, wie der aus mehreren Einzelteilen ca. 1,50 m lang zusammengesteckte pole in das Loch oberhalb des Nummernschildes geschoben werden muss, damit er im Inneren einrastet und mit einem Drehkreuz so bewegt werden kann, dass sich der Ersatzreifen abwärts bewegt. Des Rätsels Lösung besteht darin, dass wir diesen Stab falsch zusammengesteckt haben und nun ein "männlisches" Ende auf ein offenbar auch "männliches" Ende trifft. male on male funktioniert aber hier nicht. Also das Ganze anders herum - female on male passt prima. Bis wir das herausfinden, dauert es noch einmal ca. eine dreiviertel Stunde. Artise und ich sind so schweißgebadet, als hätten wir frisch geduscht. Zum Schutz gegen die Hitze haben wir Handtücher auf den Boden gelegt, von wo aus wir uns abwechselnd an dem schweren Ersatzrad abarbeiten.

Nachdem der Ersatzreifen erst einmal unten ist, ist der Rest relativ unspektakulär. Wagenheber aufbauen und an der passenden Stelle, wo eine Einkerbung ist, unterschieben. Dann die Radmuttern lösen, Radkappen ab, den kaputten Reifen runterwuchten (die Teile sind bei einem so großen Wagen ganz schön schwer), Ersatzrad drauf und Muttern wieder anziehen. Ich staune über die Muskelkraft von Artise und frage mich, ob Training im Fitnessstudio vielleicht doch keine ganz schlechte Idee ist.

Während der ganzen Prozedur können Anja und die Kinder in dem Van von Artise bei voll laufender Klimaanlage runterkühlen.

Wenig später haben wir es endlich geschafft, sind aber beide auch wortwörtlich geschafft. Reifenwechsel unter erschwerten Bedingungen bei 106° F im Death Valley. Braucht man nicht unbedingt. Mittlerweile sind mehr als drei Stunden vergangen, seit wir in halsbrecherischem Tempo bei der picnic area angekommen sind.

Das nächste Problem wartet bereits, denn als Artise, dem ich zum Dank mein gesamtes restliches Bargeld in Höhe von 30 USD als kleine (und im Prinzip überhaupt nicht ausreichende) Entschädigung übereigne, seinen Wagen starten möchte, gibt dieser nur ein paar gurgelnde Laute von sich - Batterie leer. Auch das noch!

Wir fahren mit unserem Yukon und nun wieder vier funktionierenden Reifen zurück nach Stovepipe Wells, wo ich den Reifendruck kontrolliere (der Bordcomputer erkennt den neuen Reifen nicht und zeigt keinen PSI-Wert an) und volltanke. Artise schnappt sich ein Überbrückungskabel und wir fahren wieder in die andere Richtung, wo ich Starthilfe gebe. Danach gehen wieder beide Autos und wir trennen uns freundschaftlich, aber nicht ohne zu versichern, dass wir von Lone Pine aus anrufen, dass wir dort heile angekommen sind.

(Bitte, liebe Leser, wenn Sie in Stovepipe Wells sind: schöne Grüße an Artise von der deutsche Familie, der er am 4th of July 2015 so freundlich, immer mit einem Lächeln auf den Lippen und großzügig geholfen hat. Auch das ist für mich Amerika und ein Paradebeispiel für die Liebenswertigkeit und tradierte Hilfsbereitschaft, die in vielen Amerikanern auch heute noch tief verwurzelt ist.)