Tombstone (AZ)
(Letzte Änderung: 26.01.2023 @ 9:00)"The town too tough to die."
Kling ganz schön markig. Richtig westernmäßig. Und natürlich wird dieser Slogan von den Stadtvätern Tombstones bis auf´s Mark zur Vermarktung ausgeschlachtet. Allerdings geschieht das mit einer gewissen Berechtigung, denn ein Blick in die Geschichte von Tombstone zeigt, dass diese Stadt wirklich besonders ist.
Viele mining towns der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden rasend schnell. Da, wo eben noch nichts als Staub und Wüste war, entstanden quasi über Nacht frontier boomtowns mit Saloons, noch mehr Saloons, zwielichtigen Gestalten, einem hohen Gewaltpotential und der alles überlagernden Sehnsucht nach dem schnellen Glück. In der Blütezeit dieser Städte kam häufig ein Eisenbahnanschluss hinzu und fast genauso schnell, wie alles begann, nahm kurze Zeit später der Niedergang seinen Lauf, wenn die Silber- oder Goldvorräte zur Neige gingen oder sich als weniger ergiebig als erhofft entpuppten. Einige dieser Wüstenkäffer verschwanden ganz von der Bildfläche, andere mutierten zu ghost towns, die heute nur noch eine Ahnung von dem vermitteln, was sich dort einmal abgespielt hat. Beispiele: Shakespeare, Steins, Lake Valley.
Mit Tombstone verhält es sich in vielen Punkten genau so, wie ein kurzer Faktencheck zeigt.
Minenstadt? Ja, sicher. Silber spielte die Hauptrolle.
Zweite Hälfte 19. Jahrhundert? Passt. Die Stadt wurde 1879 gegründet.
Schneller Boom? Und ob! In weniger als sieben Jahren wuchs die Bevölkerung von 100 auf stattliche 14000. Städte dieser Größenordnung haben in Südost-Arizona selbst heutzutage Seltenheitswert. In diesen sieben Jahren lieferten die Silberminen den Gegenwert von 40-85 Millionen US-Dollar. Und besonders beeindruckend finde ich: zwei Jahre nach Gründung gab es 110 (!) Saloons und 14 Spielhallen in Tombstone. Das ist mal eine ordentliche Stadt!
Zwielichtige Gestalten? Oh ja! Davon gab es reichlich und so manch einer endete am Galgen oder starb durch eine Kugel. Stellvertretend für die ganzen Schurken und Halunken sei eine Bande von Outlaws genannt, die damals unter dem Namen The Cowboys berühmt-berüchtigt waren. Mitglieder dieser Bande waren an der berühmtesten Schießerei im Wilden Westen überhaupt beteiligt.
Am 26. Oktober 1881 standen sie sich am O.K. Corral gegenüber: in der roten Ecke die Bösen, nämlich Billy Claiborne, Ike und Billy Clanton sowie Tom und Frank McLaury und in der blauen Ecke die Guten - Marshal Virgil Earp, Special Policeman Morgan Earp, Special Policeman Wyatt Earp, und ein quasi vom Gesetz aushilfsweise angeheuerter Doc Holliday.
Dabei wurden Billy Clanton und beide McLaury-Brüder getötet. Virgil Earp, Morgan Earp und Doc Holliday wurden verwundet, während Wyatt Earp unbeschadet blieb.
Schneller Niedergang? Auch den gab es. Nachdem die Stadt zuvor schon Rückschläge durch mehrere Großfeuer erlitten hatte, kam es 1886 besonders schlimm. Die Pumpenstation, die dafür zuständig war, das Grundwasser aus den Minenschächten fernzuhalten, brannte nieder. Die Silbermine, wirtschaftliche Existenzgrundlage Tombstones und der Grund, dass es den Ort überhaupt gab, wurde unbrauchbar. Gleichzeitig rutschte der Silberpreis ab, sodass die meisten Leute das Weite und ihr Glück woanders suchten. Die Stadt degenerierte beinahe zur ghost town, und nur die Tatsache, dass Tombstone bis 1929 Bezirkshauptstadt des Cochise County war, hielt sie halbwegs über Wasser.
Trotz aller Rückschläge durch Feuer, Wasser und allgegenwärtige Gewalt: Tombstone was too tough to die. Und Tombstone gibt es immer noch. Und wie. Die Stadt ist heute eine große Touristenattraktion, was nicht zuletzt auf geschicktes Marketing zurückzuführen ist.
Mehrmals täglich wird der legendäre gunfight im Hinterhof des O.K. Corral an der Allen Street dem geneigten Publikum zu Gemüte gereicht (s. Bilder oben). Das geschieht ganz amerikaüblich mit großer Anteilnahme des Publikums. Treten die Guten auf, wird gejubelt, kommen die Bösen auf die Bildfläche, bricht lautes Buuuuuh-Rufen aus. Dabei hat die Ballerei eigentlich gar nicht exakt beim O.K. Corral stattgefunden, sondern ein paar Häuser weiter bei C. S. Fly's Photographic Studio an der Fremont Street.
Damit sich Tombstone trotz der vielen Souvenirshops noch ein wenig Authentizität erhält, präsentiert sich die Allen Street hübsch rausgeputzt wie in besten Zeiten. Flankiert wird sie von historischen und nachgebauten Saloons, die ein wenig von dem alten Flair der Westernstadt vermitteln.
Halten wir also fest: Tombstone war schon mehrere Male durch Naturkatastrophen und übergeordnete wirtschaftliche Zusammenhänge dem Ende geweiht, hat es aber trotzdem immer geschafft, das Kinn über´m Wasser zu halten. Dann erkannten aufgeweckte Leute das touristische Potential, das in dem verschlafenen Nest schlummert und - tadaaa - heute ist Tombstone sogar eine der am stärksten frequentierten Touristenattraktionen im an Sehenswürdigkeiten wahrlich nicht armen Arziona. Die Stadt scheint putzmunter und quietschlebendig zu sein.
Abgesehen davon ist Tombstone nicht bloß ein hübsches Freilichtmuseum für Touristen. In der Stadt leben heute immerhin knapp 1500 Menschen. Tombstone ist eine living historical community mit einer Infrastruktur aus Schulen, Polizei, Feuerwehr, Gechäften (nicht nur für Touristen) etc.
Da haben sie schon Recht: The town too tough to die...
Directions
Tombstone liegt im Südosten von Arizona. Ungefähr 70 Meilen und eine bis eineinhalb Stunden sind es bis Tucson.
GPS-Koordinaten Tombstone
(WGS84, Dezimalgrad, Umrechner: hier)
GPS Tombstone: 31.713573, -110.067828
Good to know
Woher kommt der Name Tombstone? Ein Freund prophezeite dem Stadtgründer und Entdecker der Silbermine Edward Lawrence Schieffelin, er würde dort nichts weiter als seinen eigenen Grabstein (tombstone) finden.
Es gibt in Tombstone noch mehr historische Sehenswürdigkeiten als nur den O.K. Corral und die Allen Street. Allen voran das Tombstone Courthouse, das immerhin ein State Historic Park ist. Auch die City Hall ist sehenswert.
Die Show über die Entstehungsgeschichte der Stadt im Tombstone Historama ist sehenswert. Ist eine Mischung aus Puppenspiel und Film. In dem kleinen Theatersaal hängen historische Plakate von Filmen, in denen Tombstone eine Hauptrolle gespielt hat (s. Gallery unten): Tombstone Terror, Geronimo, The Last Outpost und wie sie alle heißen.
My Visits
Über Tombstone habe ich schon oft sinniert. Wie passt das noch in die Reiseplanung? Lohnt der Schlenker nach Süden? Zu viel Touri-Nepp?
2016 habe ich dann endlich mal Nägel mit Köpfen gemacht und bin hingefahren.
Ist Tombstone sehr touristisch? Mit Sicherheit! Gibt es dort jede Menge Kitsch und Klamauk? Irgendwie schon. Lohnt sich ein Abstecher trotzdem? Ja, finde ich schon.