washington d.c.
(Letzte Änderung: 9.10.2024 @ 16:44)Die amerikanische Hauptstadt hat eine bemerkenswerte Dichte an Denkmälern und monumentalen klassizistischen Gebäuden. Selbst für eine Hauptstadt. Selbst für Amerika, wo ja bekanntlich alles ein bisschen größer, mehr und pompöser sein darf. Die offensichtliche Hommage an die Architektur des alten Griechenland und Rom schmeichelt dem Auge, wirkt stellenweise jedoch auch ein wenig bemüht.
Vielleicht sollte durch diese Großzügigkeit kompensiert werden, dass Washington nicht die erste Hauptstadt der USA war. Vor dem Jahr 1800 waren schon New York und Philadelphia, beide geschichtsträchtige und florierende Metropolen an der Ostküste, an der Reihe. Damals war Washington noch nicht einmal geplant.
Washington ist eine von dem Franzosen Pierre Charles L´Enfant am Reißbrett entworfene und auf der grünen Wiese realisierte Stadt. Ein Europäer als Baumeister also, deshalb vielleicht die Anleihen an die klassische europäische Architektur.
Vor dem Baubeginn im Jahr 1792 gab es an den Ufern des Potomac River viel Landschaft und zwar nicht zuletzt in Form von Sümpfen, die für den Städtebau eigentlich ungünstig waren. Auch das Klima mit knallheißen, schwülen Sommern war sicher kein Standortvorteil.
Nach der Amerikanische Revolution mit der endgültigen Loseisung von Großbritannien musste eine neue Hauptstadt her, die Süd- und Nordstaaten gleichermaßen genehm war. Philadelphia und New York schieden wegen ihrer tendenziell nördlichen Lage aus. Die Region nahe der Chesapeake Bay hingegen lag ungefähr auf halber Höhe.
Dass das heutige Washington nahe der Privatresidenz von George Washington in Virginia lag, könnte auch eine Rolle gespielt haben. Der erste Präsidenten der Vereinigten Staaten, nach dem die Stadt benannt wurde, bevorzugte offenbar kurze Wege und sein Wort war damals Gesetz.
Heute ist Washington unumstritten das politische Machtzentrum Amerikas. Das Weiße Haus ist der Amtssitz des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Abgesehen von George Washington - aber der hatte es ja auch nicht weit bis nach Hause - hat jeder Präsident in der berühmten weißen Villa gewohnt.
Das United States Capitol - übrigens eine sprachliche Anleihe an den Kapitolinischen Hügel in Rom - ist der Sitz der Legislative, also des Kongresses mit seinen beiden Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Außerdem befindet sich im Gebäude die Library of Congress. Keine Bibliothek der Welt hat mehr Bücher. (Das Fotografieren der Lesesäle ist übrigens leider streng verboten.)
Vom leicht erhöhten Sockel des Kapitols blickt man in gerader Linie entlang der National Mall bis zum Lincoln Memorial. Die Mall ist eine breite Promenade, an der bedeutende Sehenswürdigkeiten Washingtons, insbesondere Denkmäler und Museen (z.B. die National Gallery, das Natural History Museum, das American History Museum und das Smithsonian Castle) liegen.
Etwa auf halber Strecke zwischen Capitol und Lincoln Memorial ragt das Washington Monument, ein hellgrauer Marmorobelisk, stattliche 169 Meter in die Höhe. Beim Erdbeben von 2011 (als ich zufällig in der Stadt war) wurde es beschädigt und ist seither geschlossen.
Entlang des sich anschließenden Reflection Pools liegen u.a. das World War II Memorial, das Korean War Veterans Memorial (s. Bild links) und das Vietnam Veterans Memorial (s. Bild rechts).
War der Reflection Pool 2011 noch Großbaustelle, konnte ich ihn 2019 in voller Pracht erleben (auch wenn sich die Sonne nicht so richtig zeigen wollte):
Am Ende des Pools thront das gewaltige Lincoln Memorial. Lincoln, der große 16. Präsident der Vereinigten Staaten, der gegen die Sklaverei eintrat und einem Attentat zum Opfer fiel, hat auch nicht weniger verdient, als einen symbolbeladenen Prachtbau im griechischen Stil, der zugleich wuchtig und elegant wirkt.
Das Gebäude hat für jeden der zu Zeiten Lincolns vorhandenen 36 Staaten der USA eine Säule. Innen befindet sich eine Statue von Lincoln sowie zwei in Stein gemeißelte Reden von Lincoln: seine Antrittsrede von 1865 und die berühmte Gettysburg-Rede von 1863, die als eines der wichtigsten rhetorischen Kulturgüter Amerikas unvergessen bleibt.
Darin nahm Lincoln Bezug auf die in der Declaration of Independence (Unabhängigkeitserklärung) versprochenen Freiheit und Gleichheit und verknüpfte damit seine Vorstellung von Demokratie, die auch heute noch für das Selbstverständnis Amerikas als Hort und Hüter der Demokratie maßgeblich ist.
"...auf dass diese Nation, unter Gott, eine Wiedergeburt der Freiheit erleben soll – und auf dass die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk, nicht von der Erde verschwinden möge." (zit. nach Wikipedia)
Das Lincoln Memorial war 1963 auch Schauplatz der nicht minder berühmten I have a Dream-Rede von Martin Luther King. Wenn man keine Zeit hat alle Denkmäler Washingtons zu besuchen, muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren: Das Lincoln Memorial gehört neben dem Weißen Haus und dem Capitol zu den Top Three.
Ganz bestimmt nicht zum Wesentlichen gehört hingegen die Skyline von Washington. Diese ist, je nach Auslegung, entweder nicht vorhanden oder so unprätentiös, dass sie kaum in krasserem Gegensatz zu der sonstigen architektonischen Exaltiertheit der Stadt stehen könnte. Andererseits würde sonst das Bemühen Washington den Anstrich einer Kulturhochburg im klassischen europäischen Baustil zu verpassen konterkariert.
Vermutlich aus diesem Grund wurde per Dekret festgelegt, dass es in Washington kein Gebäude geben darf, das höher ist als die Breite der angrenzenden Straße plus 6,10 m. Dagegen verstoßen das Washington Memorial, der Turm des Old Post Office und die Washington National Cathedral, die allesamt fertiggestellt bzw. geplant wurden, bevor das Gesetz in Kraft trat.
Washington ist die etwas andere (Haupt-)Stadt der Vereinigten Staaten von Amerika.
Directions
My Visits
Washington stand 2011 und 2019 auf der Tagesordnung.
Washington ist unbedingt eine Reise wert. Neben Philadelphia und Boston die vermutlich historisch bedeutsamste Großstadt der USA. Die National Mall alleine schafft vier Sterne.