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USA A-Z

(Letzte Änderung: 26.01.2023 @ 13:09)

Armut

Amerika und Armut? Das reichste Land der Welt?

Zugegeben, es mutet schon ein wenig seltsam an, wenn man ausgerechnet in Bezug auf die USA über Armut schreibt. Im Global Wealth Report 2016; Link nicht mehr auffindbar der Allianz liegt das Land auf Platz 2 (hinter der Schweiz). Zweitreichstes Land der Erde also gemessen am Netto-Geldvermögen pro Kopf (in Euro). Das liegt in Amerika bei stolzen 160.949 EUR, während es für Deutschland nicht einmal für eine Top-10-Platzierung reicht (Platz 18: 47.681 EUR).

Trotzdem begegnet man Armut auch in den USA. Auch als Tourist bekommt man davon etwas mit, etwa bei einer Fahrt durch Indianerreservate oder einem Stadtbummel durch Manhattan oder San Francisco, wo viele homeless people unter Pappkartons auf den Straßen leben. (Ist in Deutschland übrigens nicht anders. "Berlin wird Hauptstadt der Obdachlosen" titelte n-tv beispielsweise am 28.01.2017.)

Neulich stieß ich auf einen Artikel im Westfalen-Blatt vom 26.10.2016: "In Flint ist der amerikanische Traum ausgeträumt." Flint? - schon mal gehört. Flint, Michigan. Aus einem Vorort stammt doch der Filmemacher Michael Moor, der für seine Dokumentationen Roger & Me, Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 in seiner Heimatstadt gedreht hat.

Die Autostadt ("Vehicle City") war einst ein Hort der Zufriedenheit für die vollbeschäftigte amerikanische Mittelschicht. Heute lebt die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Nicht einmal sauberes Trinkwasser gibt es, wobei dieser landesweit Empörung verursachende Skandal nur ein Symptom mit besonderer Symbolkraft für die strukturellen Probleme weiter Teile des ehemaligen industriellen manufacturing belts ist, der längst zum rust belt ("Rostgürtel") verkommen ist.

In den 1980er Jahren ging es mit dem Wohlstand bergab, als deutsche und japanische Konkurrenten nach der Ölkrise sparsamere Autos bauten und den amerikanischen Produzenten Marktanteile wegnahmen. 1978 waren in Flint 80.000 Arbeiter in der Automobilindustrie beschäftigt, 2016 waren es nur noch 7500.

In dem Artikel des Westfalen-Blatts werden weitere verheerende Zahlen angeführt: 62% aller Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze, 50% Arbeitslosenquote, mittleres Einkommen 24.834 USD, was nicht einmal halb so hoch ist wie im Bundesstaat Michigan insgesamt, 20.000 abbruchreife Häuser, zweithöchste Mordrate der USA. Noch Fragen?

Was in Flint auf die Spitze getrieben erscheint, betrifft andere Städte ebenfalls, auch ehemals wohlhabende Metropolen: Cleveland, Detroit, Pittsburg. Überall sieht man den Verfall, Hand in Hand mit dem immer stärkeren Abschmelzen der amerikanischen Mittelschicht. Viele Menschen driften immer stärker Richtung Armut ab, wie auch folgende Headlines demonstrieren, die ich nach zwei Minuten Internetrecherche zu den Stichworten "USA+Armut" ausgebuddelt habe:

Armut in den USA - Ein Leben im Dispo (08.05.2016) (Quelle: www.zeit.de)
Armut in den USA - Nichts mehr zu verlieren (02.09.2016) (Quelle: www.zeit.de)
Armut - In den USA kehren die Slums zurück (13.08.2015) (Quelle: www.zeit.de)
Armut in USA - Wenn vom amerikanischen Traum nichts bleibt (19.09.2016) (Quelle: www.spiegel.de)

Unter dem Strich beschreiben die exemplarisch angeführten Beiträge in unterschiedlichen Akzentzuierungen alle das Gleiche: Die Armut nimmt auf breiter Front zu und weite Teile der Bevölkerung sind davon bedroht bzw. nur scheinbar auf der sicheren Seite.

Mit ein paar Zahlen, den o.g. Quellen entnommen, lässt sich das belegen: Laut einer Studie der US-Notenbank Federal Reserve könnten 47% der Amerikaner im Notfall keine 400 USD bezahlen, z.B. für einen Arztbesuch oder eine Autoreparatur. Fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung also. In einer anderen Studie gaben 40% der Befragten an, dass es für sie ausgeschlossen sei im Notfall 2.000 USD aufzubringen, 19% gaben an, dafür Besitztümer verkaufen oder einen Kleinkredit aufnehmen zu müssen.

43 Millionen Amerikaner leben in Armut. 13,8 Millionen in Gegenden mit extremer Armut, im Jahr 2000 waren es 7,2 Millionen. Zwischen 2000 und 2013 hat sich die Zahl fast verdoppelt. In diesem Zusammenhang wird bereits von einer "Ghettoisierung der Armen" gesprochen.

Es ist in diesem Beitrag nicht ausreichend Platz das Phänomen der Armut in den USA mit all ihren sozio-ökonomischen Ursachen und etwaigen Lösungsmöglichkeiten umfassend zu diskutieren. Dieses sollte nur ein kleiner Hinweis darauf sein, dass der amerikanische Traum für viele Amerikaner längst zum Alptraum geworden ist.

Ist Deutschland auf dem gleichen Weg?