Eastern Highlights 2011
(Letzte Änderung: 9.07.2017 @ 10:04)
26. Tag: 27.08.2011
Alles wartet auf Irene! Wann kommt das Biest endlich? Was hat sie im Gepäck bzw. was führt sie im Schilde?
Fast könnte man meinen eine hohe Königin kündigt sich an und ihre Untertanen erwarten angstvoll, wie ihre Durchlaucht über sie befinden wird. Milde oder Strenge? Daumen rauf oder runter?
Den minütlich upgedateten storm trackings zufolge soll der Vormittag in Philadelphia noch relativ ruhig verlaufen. Die Outer Banks hat es hingegen schon schwer getroffen - hier hat Irene mit eiserner Faust regiert und ersten Frust wegen der langen einsamen Reise über den Ozean abgelassen. Hoffentlich ist Ocracoke Island noch so schön, wie wir es erst ein paar Tage zuvor vorgefunden haben.
Ok, wenn heute morgen noch alles gut sein soll, dann können wir doch auch Programm machen. Also machen wir uns Richtung Liberty Bell auf - Anja und die Kinder haben die ja noch nicht gesehen. Bei jetzt schon strömendem Regen und gleichzeitiger Wärme (26° C) besuchen wir Liberty Bell und besorgen uns anschließend ein kostenloses Zeitfenster-Ticket für eine geführte Tour durch die Independence Hall.
Die Tour ist sehr interessant und der Ranger vermittelt, was sich hier zu einer Zeit abgespielt hat, als die amerikanische Nation in den Geburtswehen lag. Liberty Bell und Independence Hall sind jedem Amerikaner ein Begriff und werden ob ihrer gewaltigen historischen Implikationen andächtig geehrt.

Was für ein Sauwetter ist das jetzt! Pitschnass wandern wir zur Philly Bourse. Das ansonsten so trubelige Einkaufszentrum mit historischen Bezügen ist wie ausgestorben. Die meisten Läden sind dicht und die wenigen Händler, die vor Ort sind, warten vergebens auf Kunden. Pizza wird, bevor sie weggeworfen werden muss, zum Super-Duper-Sonderpreis angeboten. Sparfüchse, die wir sind, lassen wir uns das nicht entgehen.
Anja möchte zurück zum Hotel. Ihr ist die Atmosphäre des bangen Wartens auf den Hurricane nicht ganz geheuer. Also gehen wir zurück.
Im Hotel kann man aber auch nichts machen. Der Pool ist dicht und die Leute schlagen die Zeit tot. Irene ist erst in zwei bis drei Stunden fällig, so die Wettervorhersage. Draußen regnet es Bindfäden, aber es ist pullewarm. Meine Laufschuhe könnten wieder mal etwas Bewegung vertragen, finde ich. Also ziehe ich unter den verstörten Blicken der versammelten Damenwelt meine Jogging-Klamotten an und mache mich lauffertig. Anjas schwache Proteste, dass ich ja wohl nicht mehr ganz bei Trost wäre, kontere ich offenbar so überzeugend, dass sie mich kopfschüttelnd gehen lässt.
Diesen Lauf werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich renne durch eine amerikanische Großstadt und außer mir sind kaum Leute auf der Straße. Diejenigen, die sich nicht drinnen verschanzt haben, denken wahrscheinlich, dass ich eine Fata Morgana bin. Pitsch-Patsch laufe ich durch die große Pfützen, die sich gebildet haben. Quer über mehrspurige Straßen geht es und ich muss auf den (nicht vorhandenen) Verkehr kaum achten.
Irgendwie ist es ein erhebendes Gefühl so durch Philadelphia zu laufen. Ich komme an historischen Häusern vorbei, vor denen sich normaler Weise Scharen von Touristen versammeln. Bis Penn´s Landing ist es nicht mehr weit und ich laufe hin. Den Hinweis auf eine Absperrung nehme ich kaum zur Kenntnis und wundere mich, dass es bald nicht mehr weiter geht. Penn´s Landing ist wegen des bald kommenden Hurricanes gesperrt. Also laufe ich wieder zurück und bin insgesamt eine knappe Stunde später wieder am Hotel.
Irene entschließt sich noch weitere zwei Stunden auf sich warten zu lassen. Dann hält sie Hof. Die Kinder erwarten, dass draußen die Hölle losbricht und Irene ihre drohende Faust schleudert. Aber die Dame ist milde gestimmt und scheint Philly von ihrer Liste der Verdammung gestrichen zu haben. Es ist sehr stürmisch, die Bäume biegen sich im Wind und hier und da fliegt irgendetwas unkontrolliert durch die Luft, aber von Panik und Schrecken keine Spur. Insgesamt scheint Philadelphia mit einem blauen Auge davon zu kommen. Das hatten alle wohl wesentlich schlimmer erwartet.
Das Hotel-Restaurant arbeitet im Standbye-Modus. Da viele Angestellte frei haben, gibt es nur eine behelfsmäßig und stark eingeschränkte Speisekarte. Alles ein wenig improvisiert aber sehr lecker. Da hat aber einer in der Küche richtig gezaubert.
Während der Nacht stürmt es in einem fort. Wir bekommen davon so gut wie nichts mit, obwohl wir in einem der oberen Stockwerke untergebracht sind.
War alles halb so wild.
(gefahrene Meilen: 0)