Big Bend National Park (TX)
(Letzte Änderung: 9.10.2024 @ 16:44)Zum Big Bend National Park fällt mir eine der merkwürdigsten Geschichten ein, die ich je in den USA erlebt habe. Mit dem Nationalpark hat sie nur indirekt etwas zu tun, in gewisser Weise unterstreicht sie aber die Wildheit und Abgeschiedenheit des Rio Grande Grenzgebiets, in dem der Big Bend National Parkliegt.
Es war im Jahr 1994. Wir waren mit unserer alten Klapperkiste (Bild unten) im Big Bend National Park gelandet und mussten tanken. Ich glaube es war in Panther Junction (Welch ein Ortsname!). Beim Bezahlen spricht mich die Kassiererin an und fragt, ob wir schon in Mexiko gewesen wären. Natürlich nicht, antworteten wir, denn Straßen, Brücken oder Fähren über den Rio Grande gibt es weit und breit nicht.
No problema! Man wird rübergerudert.
Wie bitte? Wer rudert wen wohin? Heutzutage würde ich nicht im Traum auf die Idee kommen auch nur ansatzweise daran zu denken... Aber damals - hört sich spannend an. Wir waren sofort dabei. Außerdem versicherte man uns, es wäre drüben safe und clean. Wie kann man da noch Nein sagen?!
Also fanden wir uns zur verabredeten Stelle am Ufer ein und wurden von einem vielleicht 12-jährigen Jungen übergesetzt. Auf etwa halber Strecke, also mitten auf dem Fluss, lief das Boot voll Wasser, was unserem Käpt´n aber nur ein müdes Lächeln entlockte. No problema! Das Wasser wurde ab sofort regelmäßig mit einem Eimer wieder rausbefördert, damit die Gringos keine nassen Füße bekommen.
Am anderen Ufer gab es die Möglichkeit für zwei USD ins nächstgelegene Dorf zu reiten - auf einem Esel versteht sich. Wir hingegen waren arm und liefen. Und zwar durch sengende Sonne und knöcheltiefen Sand Ende Oktober. Gefühlte 40 Grad C im Schatten, den es nicht gab.
Irgendwann kamen wir in das Dorf Boquillas del Carmen. Das gibt´s wirklich, googeln Sie ruhig. Uns entgegen kam eine Horde halbnackter Kinder, die neugierig waren auf die Gringos, die blöd genug waren zu laufen. Alles ziemlich ärmlich. Eine andere Welt.
Nein, wir wollten keine Drogen kaufen und lehnten ab. Auch kein Silberimitat. Und auch nichts anderes. Man ließ uns in Ruhe und fragte sich wahrscheinlich, wieso wir dann überhaupt gekommen waren.
Auf jeden Fall wussten bald alle, dass wir keine Gringos, sondern alemana sind. Ist nicht verkehrt, das klar zu machen, Mexikaner sind Deutschen gegenüber im Allgemeinen positiv gestimmt. Das Verhältnis zum nördlichen großen Nachbarn hingegen ist - nun ja - sagen wir mal eher angespannt.
Ein paar Stunden und viele Eindrücke von south of the border später ging es zurück über den Fluss. Allerdings erst, nachdem wir ca. eine Stunde gewartet und gebangt hatten, ob überhaupt jemand kommt.
Irgendwie passt die Story in die Gegend. Den big bend, die große Biegung, beschreibt der Rio Grande in einer der abgelegensten Gegenden der lower states. Im Süden extrem dünn besiedelte mexikanische Wüste und auf der amerikanischen Seite ebenfalls Einsamkeit pur.
Früher lieferten sich gesetzlose Banden, mexikanische Desperados, wagemutige Siedler und auf dem Kriegspfad befindliche Indianer in den unwegsamen Chisos Mountains einen Überlebenskampf bis zur letzten Patrone. Heute ist es der Kampf gegen illegale Einwanderer und Drogen, der die Gesetzeshüter der border patrol auf Trab hält.
"There is a place in Far West Texas where night skies are dark as coal and rivers carve temple-like canyons in ancient limestone. Here, at the end of the road, hundreds of bird species take refuge in a solitary mountain range surrounded by weather-beaten desert. Tenacious cactus bloom in sublime southwestern sun, and diversity of species is the best in the country.
This magical place is Big Bend." (Quelle: offizielle Park-Website; Kurzbeschreibung des Parks)
Der Big Bend National Park ist mir vier Sterne wert. Ein Stern entfällt dabei auf die Abgeschiedenheit des Parks und die Ungezähmtheit der Chihuahuan Desert.
Manchmal, z.B. beim Wandern auf einsamen Wegen, hat man den Eindruck die Zeit sei stehen geblieben.
1 Absolute Besucherzahlen sowie Rangplatz unter allen erhobenen 393 National Park Sites (Jahr 2023)
Climate
Quelle (nur Daten): nationalparked.com
Hiking
Die Wildheit des Big Bend Nationalparks kann man nicht vom klimatisierten Fahrersitz erleben. Wenn Sie einigermaßen gut zu Fuß sind: Raus aus dem Wagen und wandern! Es gibt viele Möglichkeiten, die hier nicht im Einzelnen beschrieben werden können.
Schauen Sie sich auf der offiziellen Park-Website um.
Persönlich kenne ich nur den Lost Mine Trail, der einfach klasse ist (knapp 8 km round-trip).
Camping
Es gibt drei campgrounds im Park.
Der Chisos Basin Campground hat 60 sites, von denen 26 reserviert werden können. Der Campingplatz bietet sich als Ausgangspunkt verschiedener Wanderwege an.
Der besonders einsam im Südwesten des Parks versteckte Cottonwood Campground hat 24 sites und der Rio Grande Valley Campground 100 sites.
Directions
Big Bend ist extrem abgelegen, das ist nach meinem Geschmack einer der ganz großen Pluspunkte des Parks. Mein Rand McNally Road Atlas zeigt in der näheren und weiteren Umgebung eine Menge Weiß. Unbesiedeltes oder nicht nennenswert besiedeltes Land.
Splendid isolation, wie es die offizielle Website des NPS so treffend ausdrückt.
Die nächsten "Städte", wenn man sie denn so bezeichnen darf, sind Alpine (100 Meilen) und Marathon (69 Meilen), was auch nicht wirklich nah ist.
Bis nach Dallas sind es 500 Meilen und bis nach San Antonio 410 Meilen.
Die offizielle Park-Map finden Sie hier bei Wikipedia.
GPS-Koordinaten Big Bend NP
(WGS84, Dezimalgrad, Umrechner: hier)
GPS Panther Junction Visitor Center: 29.328265, -103.205577
GPS Castalon Visitor Center: 29.133907, -103.514321
GPS Chisos Basin Lodge & Visitor Center: 29.270509, -103.300152
GPS Rio Grande Village Visitor Center: 29.182815, -102.961539
GPS Chisos Basin Campground: 29.275, -103.30417
GPS Rio Grande Village Campground: 29.1825, -102.96083
GPS Cottonwood Campground: 29.13694, -103.52222
Good to know
Der Big Bend National Park ist nichts für einen schnellen Ausflug. Die Entfernungen im Park sind groß. Optimal sind zwei volle Tage. Morgens (von Alpine kommend) hin und abends wieder zurück ist keine gute Idee. Big Bend ist ein wahres Paradies für Freunde des gepflegten offroad-drivings. Jeep Lover´s Paradise sozusagen. Es gibt ca. 150 Meilen dirt roads (z.B.Mariscal Canyon).
Zu dem Thema "Über-die-grüne-Grenze-nach-Boquillas" hat die Süddeutsche Zeitung (Link nicht mehr auffindbar) 2017 einen schönen Artikel veröffentlicht, den ich wie folgt "teasere": "Adrian Valdez legt sich in die Riemen: 18 Ruderschläge, dann läuft sein Aluboot sanft knirschend auf die Sandbank auf. 18 kräftige Züge, mehr trennt Mexiko und die USA nicht am Rio Grande zwischen dem Dorf Boquillas del Carmen und dem Big Bend Nationalpark in Texas. 'Ich fahre jeden Tag in die USA, um Touristen abzuholen. Aber ich gehe nie an Land. Ich habe kein Visum', sagt Valdez. Er ist der Fährmann des 'International Ferry Service' am Rio Grande. Was nach einem großen Fährbetrieb klingt, ist ein kleines Familienunternehmen: Etwa 40 Besucher pro Tag schippert er über den Fluss.")
Südlich von Alpine gibt es nicht mehr viel in punkto Infrastruktur. Einkäufe würde ich in Alpine erledigen. Evtl. Arztbesuche auch. Die Big Bend Grenzregion ist insgesamt sehr abgelegen.
Big Bend ist mountain lion und Bärengebiet. Lassen Sie sich davon bloß nicht abschrecken, das macht doch mit den Reiz der Gegend aus. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung ziemlich niedrig.