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USA A-Z

(Letzte Änderung: 29.12.2018 @ 15:15)

Massentourismus

Die Zufahrt zum Goblin Valley verlangte alles ab. Mensch und Maschine stöhnten und ächzten, wobei Letztere in einer unsäglichen Klapperkiste aus den später 1970er Jahren bestand. Wir waren jung. Das Auto alt. 1991 war das.

Es klapperte und quietschte. Das Washboard war reinste Folter. Gleich fliegt uns das Blech weg, dachte ich mehr als nur ein Mal.

Das Goblin Valley war damals noch so etwas wie ein Geheimtipp im weiteren Sinne. Verglichen mit heute waren die Besucherzahlen lächerlich niedrig, da konnte man von den Hartgesottenen schon erwarten, dass sie einen beschwerlichen Weg in Kauf nehmen.

Ein bisschen Statistik: 2003 (ältere Zahlen konnte ich nicht finden) betrug die Gesamt-Visitation im Tal der Kobolde knapp 68.000 Menschen jährlich. 2018 waren es knapp 270.000 (Quelle: stateparks.utah.gov). Eine Vervierfachung in fünfzehn Jahren. Nicht schlecht - oder gerade doch (dazu unten mehr).

Warum erzähle ich das alles?

Weil ich kürzlich auf einen Artikel vom Guardian gestoßen bin unter dem Titel "Crisis in our national parks: how tourists are loving nature to death". Darin wird eindrucksvoll beschrieben, wie weite Teile des Landes quasi von Touristen überrannt werden. Der Horseshoe Bend dient nur als ein anschauliches Beispiel. Überhaupt die ganze Page (AZ) Region. In den 1990er Jahren war Page ein Wüstenkaff sondergleichen, das nur vom Lake Powell und den dortigen Marinas am Leben gehalten wurde, so schien es. Und von der benachbarten Navajo-Reservation. Übernachtungspreise im Sommer in günstigen Motels (keine Absteigen!) lagen bei vielleicht 49,- USD. Ok, alles ist teurer geworden, in den USA sowieso, aber heute bekommt man erstens ohne Reservierung kaum ein Zimmer und zweitens sind die Preise dreistellig.

Weitere Zahlen gefällig? Die Gesamtbesucherzahl pro Jahr der vom National Park Service verwalteten Parks (recreation visits), die ca. dreißig Jahre lang auf einem recht stabilen hohen Niveau lag (mit kleineren Schwankungen um die 275.000.000 Besuchern/Jahr), explodiert geradezu in den letzten Jahren. In 2016 waren erstmals über 330.000.000.

Hier sieht man es auf einen Blick (Quelle: NPS):

Im Übrigen verweise ich auf den oben verlinkten Artikel vom Guardian, in dem sich weiteres statistisches Material findet.

Gründe für den Besucheranstrom gibt es viele. Günstiger Dollarkurs, steigender Lebensstandard z.B. in Südost-Asien usw. Nicht zuletzt dürfte auch der im Artikel beschriebene "Instagramismus/Snapchatismus" eine Rolle spielen. Schnelle Fotos, schnell weiter, Attraktionen am laufenden Band, heute hier, morgen da - die USA machen´s möglich. Und das bei perfekter Infrastruktur ohne größere Komplikationen.

Und was heißt das nun?

Zunächst einmal ist man selbst Teil des Problems. Punkt.

Zweitens ist es es kaum noch möglich, in den USA echtes Wildwest-Feeling mit Einsamkeit pur und allem, was dazu gehört, aufkommen zu lassen. Jedenfalls nicht in der Hauptreisezeit im Hochsommer. Wer also (zum ersten Mal) in die USA reist und solitude und remoteness sucht, wird möglicherweise bitter enttäuscht.

Drittens ziehe ich für mich die Konsequenz, nur noch im Herbst in den Südwesten zu reisen - nicht zuletzt wegen der beschriebenen Problematik (das Wetter spielt auch eine Rolle). Allerdings sollte man nicht glauben, dass dann alles dramatisch besser wäre. Weit gefehlt. Oktober 2018: Auf dem Canyon X Parkplatz - der Canyon X war wirklich bis vor kurzem noch ein Geheimtipp - stehen sage und schreibe sieben (!) große Reisebusse mit Pauschaltouristen aus Südkorea. Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt. Man mag sich gar nicht vorstellen, was beim "berühmten" Antelope Canyon "nebenan" los ist.

Viertens wird man mit weiteren Restriktionen rechnen müssen. Stichwort: obligatorisches Shuttle-System im Zion NP und im Arches NP, Permitpflicht hier, Schließung von sites dort (z.B. False Kiva, Canyonlands NP) usw. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann es im Yosemite NP und im Yellowstone NP an Wochenenden regelmäßig heißt: "Alles voll, bitte umkehren!"

Und weiter? Die Moral von der Geschicht´? Die ultimative Konsequenz? Gar eine Lösung?

Antwort: Habe ich nicht, kenne ich nicht. Ich wollte doch nur mal drüber reden.