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Chicago (IL)

(Letzte Änderung: 25.04.2023 @ 16:56)

Al Capone war ein Mafia-Boss der alten Schule. Nach außen verkörperte er das Bild eines seriösen Antiquitätenhändlers, der kein Wässerchen trüben könnte. Im Hintergrund zog er als Mafia-Pate die Strippen in der Chicagoer Unterwelt. Capone war Boss des Chicago Outfit.

Was so harmlos nach einer Designer-Modemarke klingt, ist in Wirklichkeit einer der amerikanischen Ableger der sizilianischen Cosa Nostra, also ein Mafiaclan. Dessen Aktivitäten in Chicago reichen zurück in die Zeit der Alkoholprohibition Anfang des 20. Jahrhunderts, als viele italienischstämmige Einwanderer in die Stadt kamen.

Al Capone flog übrigens später doch auf und schaffte es sogar bis zum Staatsfeind Nummer Eins. Verurteilt wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung war 1934 das Hochsicherheitsgefängnis auf Alcatraz in San Francisco Endstation seiner zweifelhaften Karriere.

Abgesehen davon, dass The Outfit trotz eines harten Schlages des FBI gegen den Mob im Jahr 2007 auch heute noch aktiv ist, hat Chicago das Image der Mafia-Hochburg offenbar nicht vollständig abgestreift. So z.B. habe ich in einem Forum (gutefrage.net; direkter Link nicht mehr auffindbar) unter der Überschrift "Chicago - Lauter Verbrecher und Schurken?" folgende Beiträge aus dem Jahr 2013 gefunden:

Frage: "Ich muss bald für einige Tage nach Chicago, doch dort bin ich dann hauptsächlich nachts aktiv. (Des Berufes wegen; sic!) Stimmt es, dass dort so viele Gangster und die Mafia usw. sind ? Dieses Bild habe ich nämlich von der Stadt." Antwort: "Naja es hat eine der höchsten Kriminalitätsraten in den Vereinigten Staaten. Ich hab vor kurzem eine Doku über die Gangs dort gesehen! Aber ich denke es kommt auf die Viertel an in denen man sich aufhält!"

Gleiches Forum, aber neue Frage unter dem Titel "Chicago - Gangsterstadt" (Link nicht mehr auffindbar): "Kann mir einer vielleicht verraten warum die Stadt Chicago auch Gangsterstadt genannt wird?" Antwort: "Kurz gesagt, weil die Mafia dort sehr stark vertreten ist."

Man kann in Chicago sogar eine Stadtbesichtigungs-Tour ganz im Zeichen von Al Capone und FBI-Agent Eliot Ness buchen (The Untouchable Tour in Anlehnung an den großartigen Kinofilm aus dem Jahr 1987, der Sean Connery den einzigen Oscar seiner langen Karriere bescherte). Stilecht im schwarzen Bus mit einem auf Gangster getrimmten guide fährt man an vielen Orten vorbei, an denen sich Al Capone aufgehalten hat, z.B. an einer Kirche, deren Einschusslöcher von einem Gefecht zwischen Capone und seinem Widersacher Earl Weiss zeugen.

Ein weiteres Indiz für Chicago als (ehemalige) amerikanische Hauptstadt des organisierten Verbrechens ist die Timeline of Organized Crime in Chicago, aber die stark rückläufige Zahl der Einträge zeigt, dass die Mafia längst nicht mehr Chicagos zentrales Thema ist.

Die allgemeine Kriminalität ist allerdings - gegen den Trend in vielen US-Großstädten - nachwievor sehr hoch. Schlagzeilen, wie "Chicago wird zur Mordhauptstadt", die ich nach einer Minute Internetrecherche ausgebuddelt habe, zeichnen ein finsteres Bild (Quelle: www.stuttgarter-zeitung.de). Beim Lesen des zugegeben ziemlich reißerisch aufgemachten Artikels verdüstert es sich noch mehr:

"Ein 39-jähriger Bauarbeiter steht kurz nach Mitternacht an einer Straßenecke und plaudert mit einem Freund. Dann fallen Schüsse aus dem Nichts. Der unbescholtene Vater von vier Kindern ist tot. Zwei zu Tode geprügelte Männer werden in einem Kofferraum gefunden. Ein 17-Jähriger und ein 33-Jähriger erliegen Schusswunden. Ein normaler Tag in Chicago. Barack Obamas Heimatstadt verzeichnet einen traurigen Trend: Sie ist die einzige amerikanische Millionenstadt, in der die Mordrate steil nach oben geht. Mit mehr als 400 Morden ist die Zahl der Toten in diesem Jahr um ein Viertel höher als 2011. In Los Angeles und New York hingegen sinkt die Rate seit Jahrzehnten.

Die meisten Opfer sind Schwarze. Armut und Drogen sind der Nährboden für eine Kultur, in der vor allem bei jungen schwarzen Männern ein Menschenleben nichts wert ist. 'Diese Stadt dreht durch. Es sind nicht mehr nur Morde innerhalb von Gangs – es sind völlig willkürliche Tötungen', klagt ein schwarzer Pastor, der in seiner Gemeinde zuletzt vier junge Leute beerdigen musste. "

Dass es in Chicago neighborhoods gibt, die jenseits von Gut und Böse sind, und wo man als normaler Tourist definitiv nichts, aber auch gar nichts, verloren hat, ist richtig. Finger bzw. Füße weg z.B. von Englewood oder West Garfield Park.

Leider ist auch die Near West Side in der Nähe des United Centers mit etwas Vorsicht zu genießen (Quelle: sports.yahoo.com). Das ist da, wo die Blackhawks (NHL) und die Bulls (NBA) spielen. 1992 durfte ich beim Besuch eines Heimspiels der Blackhawks am eigenen Leib erfahren, wie übel diese Gegend ist (uns ist nichts passiert, aber es war trotzdem unschön, permanent von Crack Dealern und anderen finsteren Gestalten angesprochen zu werden; naja, so lange sie nur reden...).

Diese und andere Nachteile Chicagos führten dazu, dass die Stadt 2016 in einem Ranking auf Platz 5 der 10 Worst Cities to Visit in the United States landete (Quelle: www.escapehere.com): "Sadly, Chicago of late suffers from high crime rates, high unemployment, a series of private home foreclosures, and a loss of the 2016 Summer Olympic bid—partly due to suffering the highest sales tax (a rate of 10.25-percent) in the entire nation."

Nach so viel Al Capone, Mafia und Kriminalität ist es höchste Zeit für einen Themenwechsel. Der normale Tourist, der sich im Bereich der großen Sehenswürdigkeiten Chicagos aufhält, kann die Stadt unbeschwert genießen. Die Skyline von Chicago z.B. ist nach New York die zweitschönste im ganzen Land und es gibt zwei gute Alternativen diese zu genießen.

Die Aussichtsplattform des 344 Meter hohen John Hancock Centers wäre die eine. Leider guckt man dabei durch (nicht gerade sauberes) Glas. Besser ist das Skydeck im 103. Stock des 442 Meter hohen Willis Towers (der bis 2009 Sears Tower hieß und nach dem One World Center in NYC das zweithöchste Gebäude der USA ist). Dort ist man zwar auch nicht an der frischen Luft, aber es gibt Balkone mit Glasboden, durch die man direkt in die Tiefe blickt, ohne Hunderte Stirn- oder Fingerabdrücke vor der Linse zu haben.

Aber auch bei konventionellen Bildern durch die Scheibe gefällt mir die Aussicht nach Norden auf das John Hancock Center besser als der häufig durch Gegenlicht beeinträchtigte Blick nach Süden vom JHC aus.

Willis Tower

Eine andere hervorragende Möglichkeit um die architektonischen Meisterwerke Chicagos zu bewundern, ist eine Fahrt auf dem Chicago River. Entweder als organisierte Tour oder für einen ganz schlanken Preis und sehr flexibel mit dem Wasser-Taxi.

Chicago River

Von der Chicago Architecture Foundation gibt es eine spezielle Bootstour, die den Fokus auf berühmte Bauwerke Chicagos und ihre Geschichte legt. Davon gibt es in Chicago, dessen erster Wolkenkratzer im Jahr 1885 gleichzeitig der erste der Welt war (Home Insurance Company), beinahe so viele wie Sand an den Stränden des benachbarten Lake Michigan.

135 Wolkenkratzer (über 150 m Höhe) säumen den Chicago River und das zentrale Stadtviertel The Loop (Quelle: Skyscrapercenter.com). Hier waren Stararchitekten wie Frank Lloyd Wright, Daniel Burnham, Helmut Jahn, Frank Gehry, Rem Koolhaas und Mies van der Rohe am Werk und lieferten Kunstwerke moderner Hochhausarchitektur ab, die Seite an Seite mit historischen Hochhäusern stehen. Mir gefällt vor allem der Tribune Tower aus dem Jahr 1925 mit seiner neugotischen Bauweise.

Tribune Tower

Der Tribune Tower liegt am Beginn der Magnificient Mile, also dem nördlichen Teil der berühmten Michigan Avenue. Hier ist das richtige Revier zum stilvollen Shoppen und Sehen und Gesehenwerden. Schnäppchen wird man allerdings eher nicht finden.

Als wollte die Stadt einen Kontrapunkt zum anrüchigen Mafiaimage setzen, inspiriert Chicago offenbar Künstler verschiedener Coleur. Nicht nur hochkarätige Architekten haben sich hier verewigt, es gibt auch sehr viele öffentliche Skulpturen. Eine davon ist Cloud Gate (The Bean) im Millennium Park. Wenn man die absurden perspektivischen Verzerrungen bewundert, wird einem klar, wieso Einheimische und Touristen diese merkwürdige Bohne lieben.

Cloud Gate

Auch das zehn Meter hohe Eye von Tony Tasset ist ziemlich cool.

Eye Chicago

Bei einem Bummel durch die Loop stößt man immer wieder auf Skulpturen weltbekannter Künstler: Der orangefarbene Flamingo von Alexander Calder vor dem Federal Center ist ebenso beeindruckend, wie der Zwitter aus Frau, Flug- und Raubtier von Pablo Picasso im Daley Center verstörend wirkt.

Noch mehr Kunst findet man z.B. im Art Institute of Chicago, das vor allem wegen seiner (post-)impressionistischen Werke, u.a. von Claude Monet und Vincent van Gogh, einen hervorragenden Ruf genießt.

Kulturliebhaber kommen in Chicago auch in musikalischer Hinsicht auf ihre Kosten. Im Grant Park finden im Sommer zahlreiche Konzerte und Veranstaltungen statt. Nirgendwo sonst in den USA gibt es eine kostenlose klassische Konzertserie unter freiem Himmel (Grant Park Music Festival). Chicagoer nutzen das gerne am Samstagabend für ein coming together mit Familie und Freunden. Ich fand die lässige Atmosphäre einfach klasse, als ich 2013 zufällig vorbeikam.

Weniger kunstvoll aber trotzdem Kult ist die Chicago El (Elevated). Mit ohrenbetäubendem Lärm rattert die aus vielen Filmen bekannte Hoch- und U-bahn über den Köpfen von abgestumpften Einheimischen und anfänglich irritierten Touristen durch die Innenstadt-Loop. Eigentlich ist sie mit ihrem stählernen Schienengerüst potthässlich, aber aus dem Stadtbild Chicagos dennoch nicht wegzudenken.

Wer nach diversen hochgeistigen Genüssen kultureller Art nach schlichterer Zerstreuung verlangt, wird beim Navy Pier fündig. Dieser wurde im Jahr 1916 gebaut und ragt auf einer Länge von gut einem Kilometer in das tiefe Blau des Lake Michigans, an dessen Ufer Chicago liegt. Heute ist der Pier ein Amüsierviertel mit Riesenrad (ebenfalls guter Blick auf die Skyline!), Karussells und unzähligen Fressbuden. Eine Kultur-Überdosis muss man hier eher nicht befürchten.

Die Lage am Lake Michigan ist im Sommer fantastisch. Es gibt in den USA wohl keine andere küstenferne Großstadt, wo man Downtown so schön an richtigen Stränden (insgesamt 15 Meilen!) liegen und sogar baden kann (z.B. am Oak Street Beach oder North Ave Beach). Die häufig schwüle Sommerhitze in Illinois ist dann gut auszuhalten.

Im Winter jedoch verkehrt sich Segen in Fluch. Dann mutiert Chicago zur windy city. Eiskalte Winde aus Richtung Norden, die auf ihrem Weg vom Polarmeer schon Kanada in eine Gefriertruhe verwandelt haben, fegen dann ungehindert über den See und durch die Hochhausschluchten Chicagos.

Die Stadt sollte dann besser in ChiBeria (chicago.cbslocal.com) umgetauft werden.

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Chicago stand schon einige Male auf der Agenda: 1992, 2010, 2013 und zuletzt 2019.

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Soll noch einer sagen, Illinois wäre so ein typischer Fly-Over-Staat. Nach dem Motto: Augen zu und drüber hinweg.

Chicago ist eine mondäne Großstadt mit einem unverwechselbaren Flair. Die super Lage am Lake Michigan trägt dazu sicher bei, aber auch die hochinteressante Architektur und überhaupt das äußerst reichhaltige kulturelle Leben (z.B. die vielen Statuen, die über die Stadt verstreut sind und das Stadtbild maßgeblich bereichern), von dem man auch als flüchtiger Tourist etwas mitbekommt.